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© cosmos

Wenn Dating-Apps depressiv machen – und wie KI helfen soll.

Machen Dating-Apps depressiv? Neueste Studien sagen: ja. Und die Unternehmen? Steuern dagegen, unter anderem mit Künstlicher Intelligenz und immer neuen Features.

Stundenlanges Swipen, Matches, die keine echte Verbindung schaffen, und Chats, die schneller ermüden, als sie begonnen haben. Dating-Apps haben längst ihren Reiz verloren, oder? Befragt man Frauen zu ihren Erfahrungen damit, so ist das Urteil sogar noch schlimmer. Nicht wenige berichten von übergriffigen Männern, die ungefragt Dick-Pics schicken, zu echten Stalkern werden oder sie trotz vielversprechendem Chat plötzlich „ghosten“. Nein, die Welt des digitalen Kennenlernens und Sich-Verliebens hat vieles von ihrem Anfangsreiz verloren. Ein Reiz, der mit Tinder im Jahr 2012 auf den Markt kam, bzw. mit Grindr (der LGBTQ+ Dating-App) sogar noch deutlich früher, im Jahr 2009.

Und heute? Rund 12 Jahre, nachdem das Online-Dating zur neuen Normalität wurde, gibt es unzählige Ableger und Ansätze, wie man sich digital verlieben, kennenlernen und beruflich vernetzen kann. Was Apps wie Bumble, Hinge und Co. mit dem noch immer unangefochtenen Platzhirsch Tinder gemein haben? Überall wird geswiped, geliked oder disliked, bis der oder die Richtige gefunden ist – oder der Finger einschläft!

Studie belegt: Dating-Apps machen depressiv

Apropos Einschlafen! Laut einer aktuellen Studie von Forbes Health sind ganze Generationen mittlerweile mehr als swipe-müde. Statt unzähligen höherschlagenden Herzen und glücklich verliebten Paaren haben Apps wie Tinder in den vergangenen Jahren vielfach das genaue Gegenteil bewirkt: nämlich eine zunehmende Frustration bei den Nutzer, die bis hin zum Burnout reicht. So fühlten sich 80 % der Millennials, die solche Apps nutzen, oft ausgebrannt. Bei der sogenannten Gen Z sind es der Umfrage nach 79 %, Gen X kommt auf 78 % und die Generation der Baby Boomer noch immer auf 70 %!

Erschreckende Zahlen, die gleichzeitig sinnbildlich für das lukrative Spiel mit unseren Gefühlen stehen. Denn entgegen markant-knackiger Werbesprüche wie ‚Designed to be deleted‘ (Hinge) liegt das eigentliche Geschäftsmodell von Dating-Apps und -Plattformen in der schieren Menge der unbefriedigten Liebeswünsche.

Nutzer:innen, die noch nicht gefunden haben, wonach sie so sehnlich suchen, sind es, denen man Abo-Modelle und andere kostenpflichtige Features verkaufen kann – mit der vermeintlichen Garantie, damit ihre Chancen zu erhöhen, gefunden zu werden. Und so wischt man weiter, weil sich das Gehirn über Likes und Matches so maßlos freut, dass Zeit und Raum darüber vergessen werden. Und stattdessen stundenlang „grinden“, also schuften, bis der Arzt kommt.

Das Geschäft mit einer der mächtigsten Drogen: Dopamin

Um zu verstehen, wieso man süchtig nach Dating-Apps werden kann und in weiterer Folge oft unzufrieden ist, weil das gewünschte Ergebnis nicht eintritt, kann man einschlägige Fachliteratur und neueste wissenschaftliche Publikationen wälzen oder sich einfach mit Dokumentationen weiterbilden. So lüftet der deutsch-französische TV-Sender Arte in „Die Dopamin-Falle – der Botenstoff und die sozialen Medien“ das ohnehin bereits vielen bekannte Geheimnis der Wirkungsweise sozialer Medien. Und die funktionieren im Grunde nach den gleichen Prinzipien wie Dating-Apps.

Ihre Macht besteht darin, dass sie ausnutzen, wie das menschliche Hirn gestrickt ist: nämlich neugierig nach immer neuen Reizen. Was in den frühen Anfängen der Menschheit wohl als Schutzmechanismus gedacht war (Achtung: Löwe im Gebüsch, Gefahr beobachten und ggf. fliehen), machen die digitalen Großkonzerne heute zu barem Geld. Ihre Algorithmen werfen uns immer neue und je nach Vorlieben wahnsinnig interessante Inhalte vor die Füße (Achtung: Hund jault zu Klavier, beobachten und evtl. Like dalassen).

Innerhalb von Bruchteilen einer Sekunde treffen wir Entscheidungen, verweilen oder ziehen weiter, swipen nach links oder rechts – und werden mit Likes, neuen Matches oder einem neuen Video/Foto belohnt, das erneut eingeschätzt und bewertet werden will. So treibt jede Handlung das Rad weiter, und nur selten stellt sich echte Zufriedenheit ein, denn das nächste Video, die nächste Person, das bessere Match ist nur einen Swipe weit entfernt!

Gamification oder: Wie aus der Liebe ein (un) echtes Spiel wird

Auch wenn Vogue und das britische The Standard schon das Ende der Dating-Apps verkünden und das echte Leben (wie etwa den Supermarkt) als neue-alte Kennenlernplattform preisen – Schluss ist mit den digitalen Möglichkeiten noch lange nicht!

Um Nutzer:innen weiter bei der Stange zu halten und möglichst stark an Apps und Plattformen zu binden, die ihnen die große Liebe versprechen, setzen Anbieter wie Tinder und Co. immer stärker auf spielähnliche Formate und Features. Das Stichwort lautet Gamification, wobei auch bald integrierte KI-Tools das Angebot erweitern werden.

So schreibt die Financial Times in einem Beitrag davon, dass Bumble, Grindr und Tinder bereits an digitalen ‚Wingmen‘ arbeiten, die Nutzer:innen bei der Formulierung von Antworten helfen sollen. Das ultimative Ziel dabei? Lästige und langwierige Online-Kommunikation wird abgekürzt oder gleich ganz durch den Austausch zweier ‚Wingmen‘ ersetzt, die Gemeinsamkeiten und mögliche Gesprächsthemen prüfen, bevor es zu einem Treffen im echten Leben kommt. Bleibt nur zu hoffen, dass sie sich nicht ineinander verlieben und der Mensch leer ausgeht.