Customize mediahouse GmbH-Logo in Blau
Schwimmstelle

Die Grantler:in – Stille Wasser sind kalt

Mit fallenden Temperaturen steigt die Zahl derer, die sich aufs Eisschwimmen freuen. Ab 4 Grad zählt es, davor ist es nur Baden für Hartgesottene. Was mich daran reizt, ist der Masochismus als Akt der Selbstfindung.

Eisbaden ist Volkssport, zumindest für den harten Teil der Gesellschaft, oder all jene, die sich auch in der Freizeit immer wieder etwas beweisen müssen. Warum sie das tun? Argumentiert wird mit Wim Hof und körperlichen Vorteilen, wie der Reduktion brauner Fette und einem verminderten Risiko an Alzheimer zu erkranken. Aber vielleicht geht es auch darum, vor Verwandtschaft, Freunden und Arbeitskolleg:innen prahlen zu können. Mal wieder den Mann oder die Frau gestanden zu haben, abgehärtet zu sein in harten Zeiten quasi. Ein Stückweit auch: Vorbereitung! Auf was auch immer da kommen möge, und sei es bloß ein harter Winter.

Nein, ich will mich nicht lustig machen über den Teil der Bevölkerung, der in den kalten Monaten des Jahres in stille Wasser steigt, vielleicht sogar Eis aufklopft, um hineinzutauchen. Denn ich bin ja selbst einer von ihnen. Und auch ich habe meine Gründe. Aber das seltsame daran: ich mache es allein – und das sollte man ja tunlichst vermeiden, denn es kann ja immer etwas passieren, „auch einem jungen Herzen“, hallt es in meinen Ohren nach. Jaja, Recht haben sie, meine Freunde. Dabei geht es mir persönlich vor allem darum, abzuschalten, mich ganz im Jetzt zu erleben, den Körper, wie er kämpft und maßlos überfordert ist von dem, was da von allen Seiten nach ihm greift, ihm wehtut sogar.

Kälte, du fürchterliche Freundin, umschlinge mich!

Ein bisschen Masochismus schwingt also mit, das bestätigt auch die dann kleinste Extremität meines Körpers, die vor lauter Pein fast zur Vulva wird, und mich nahezu geschlechtslos werden lässt. Schön, denke ich dann, hättest auch anders zur Welt kommen können, wenn es im Mutterleib kühler gewesen wäre! Nein, Spaß beiseite.

Interessant ist übrigens auch die Beobachtung, dass es scheinbar zwei Lager von Eisbadenden gibt: Erstens diejenigen, die sich mit Bikini und Badehose vorbereiten, als wäre es ein Badetag wie jeder andere und zweitens diejenigen, die nackt ins Wasser steigen, aber ihrer Scheu nach nicht zwangsweise FKK-Freunde sind. Die Überwindung ist bei Letzteren also scheinbar doppelt groß und vielleicht gehe ich auch deshalb mehrheitlich allein Eisbaden.

Weil die Kälte (so weiblich wie sie nunmal in deutscher Sprache ist) mich angreift, in meiner Männlichkeit, und keiner sehen muss, wie nahe wir uns eigentlich sind, das heißt: ich ihr. Und so steckt in jedem Mann doch immer auch ein Gutteil Frau – nicht nur in kalten Wassern.